Und noch mehr Länder in die EU - eine geopolitische Notwendigkeit?


Ukraine, Georgien, Westbalkan: Ist das alles gut durchdacht? Ist das wirlklich im Interesse der EU wie sie besteht?

Das Wort "alternativlos" hat ja Gott sei Dank, in der Zwischenzeit ein Gschmäckle bekommen. Die Länder die nun nach Kandidatenstatus suchen, erfüllen die Voraussetzungen nicht. Auch manche, die in die EU gekommen sind, erfüllen sie bis heute genau so wenig, nähme man die EU-Kriterien wirklich ernst. Ja, man läßt eine Anstandsfrist verstreichen, beteuert praktisch ohne Nachweis, das jetzt alles besser sei und nimmt die Länder auf.

Wie soll die EU aussehen, was soll sie garantieren, wie soll sie nutzen?

Die EU soll ein Friedensprojekt sein (und ist es bisher)! Das heißt für mich nicht nur: keine Kriege (Nordirland?, Serbien vs. Kosovo?) sondern auch kein Krieg von Regierungen gegen die eigenen Bürger, indem die Gewaltenteilung mehr oder weniger leise unterminiert wird. Demokratie ist keine Selbstläufer und erfordert auch alle Kräfte der supranationalen EU, als deren Wächter. Zweitens: Offene Märkte realisieren, vor allem Deutschland's großes Interesse. Drittens: Direkte Geldflüsse, Transfers über die Kohäsionsfonds. Viertens: Erzwungene Niedrigzinsen (EZB Anleihekaufprogramm), spart den hochverschuldeten Ländern Kosten. Kostet per Saldo die soliden Länder viel Geld. Fünftens: Die EU-gemeinsame Schulden (gemeint ist vor allem Deutschlands Mit-Haftung für Schulden) für die verschiedensten Katastrophen zu akzeptablen Konditionen.

Sind die anvisierten Erweiterungen alternativlos? Was bedeuten sie zunächst?

Es läßt sich abstrakt gut argumentieren: Was den Markt vergrößert ist immer gut. Zweitens, ohne den Rahmen der EU und ihrer Werteverpflichtung, schaffen es die Länder nie aus dem Meer ihrer Probleme aufzutauchen. Als da sind: Korruption - je ärmer ein Land ist, desto höher ist das Niveau von Korruption und Verbrechen und damit "bad governance". Dazu zählen auch die dort üblichen oligarchischen Strukturen. Dann kommt der problematische Nationalismus dazu: Gerade der Westbalkan mit seiner komplett fragmentierten Kleingesellschaften hat ein Nationalitätsverständnis, das dem National-Verständnis, der Europäischen Großmächte vor dem I Weltkrieg entspricht, wie ich das sehe. Das sind neue Belastungen für die bestehende EU. Ein Status der Assoziation, ohne politische Teilhabe wäre eine Lösung.

Risiken bei Vollmitgliedschaft weiterer, schwacher Länder

Lähmung der EU bei Weiterbestehen der Einstimmigkeit bei dann 31 oder 32 EU Mitgliedern. Das Allerschlimmste daran: Durch die panslawistisch gepolten Serben hätte Putin den perfekten Zugang zur Entscheidungsfindung der EU durch die Vetomöglichkeit der Serben in Fragen der Haushalts-, der Sicherheits- und Außenpolitik. Kreml-Herz was willst Du mehr. Zudem Schwächung der EU, da die Neuankömmlinge das Gewicht der Krisenländer innerhalb der EU nochmals deutlich vergrößern würden.

Welche Optionen hat die EU?

1. Vor Erweiterung: Man schaffe vorher die Einstimmigkeit in Haushalts-, Sicherheits-, und Außenpolitik ab. Das wird wieder daran scheitern, dass Vertragsänderungen auch der Einstimmigkeit berdürfen. Aber die Aufnahme ohne das, könnte auch verhindert werden, ein Junktim muss her.

2. Man schaffe endlich einen assoziierten-Status: Also Teilhabe am Markt aber nicht an den politischen Prozessen. Das dürfte sogar noch durchsetzbar sein.

3. Jene Staaten, die die eine handlungsfähige EU wünschen und dafür Ihre eigene Vetomöglichkeit aufzugeben gewillt sind, gründen die EU neu, treten aus der alten aus, behalten bis auf die Veto-Regelung alle andern Regeln der Lissabonvertäge bei und laden die Abseitsstehenden wieder ein, an der neuen EU mitzumachen.

Es wird nichs dergleichen geschen, fürchte ich. Nichts tun dürfte die EU als politische Kraft weiter lähmen. Wollen wir Mittel- und Nordeuropäer das? Und ist das im Sinne der Lissabon-Verträge?

Auch wenn sich klar abzeichnet: die USA müssen sich nun auf den Pazifik konzentrieren, so wie die menschliche Machtlogik bisher nun mal wirkt. Europa muss mehr aus eigener Kraft tun. Und das gelingt nicht, wenn man ihre Entscheidungskraft noch weiter schwächt, so meine These. Wer hat bessere Ideen? Ich bitte um Einsendungen!

Dr. Johannes Rauter 16.09.2022