Vereinigte Staaten von Europa! Macron und Scholz Arm in Arm?


Aber Begriffe sind - das hat uns die EU auch gelehrt - dehnbar. Jeder hat sein 'ever closer' ...

Die EU ist ein Wesen sui generis, warum wollen die Spitzenpolitiker in Frankreich und Deutschland das nicht einsehen und schwadronieren von den „Vereinigten Staaten von Europa“- obwohl sie alle wissen, dass das Humbug ist. Übrigens – Begrifflichkeiten sind ganz wichtig. Auch die EU kann - wie sie steht - ohne Weiteres als „Vereinigte Staaten von Europa" bezeichnet werden, vereinigt durch die Vertragswerke EUV und AEUV. Aber Macron und sein Deutscher Konterpart wollen ja offenbar einen Klon der USA. Viel Spass. Schiller: "Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen".

Vereinigte Staaten von Europa

Das war Thema in der SZ- „Diese Deutschen J. Kelnberger, SZ 30.12.21“ .Der Redakteur sieht das auch kritisch: (https://www.sueddeutsche.de/meinung/eu-deutschland-frankreich-vereinigte-staaten-von-europa-orban-1.5498109)

Die DNA der EU

Hat man sich jahrelang mit der EU befasst, dann kann man Hernn Kelnberger's Skepsis nur voll und ganz zustimmen, die DNA Europas ist nun mal die Nation, die Sprache und die daran hängende Kultur. Die DNA der USA ist eine völlig andere. Der EU fehlt es nicht an Leerbegriffen und phantastischen Visionen. Das ist auch die Domäne Macrons, da brauchen sich die Deutschen nicht noch draufsetzen.

Vereinte Staaten von Europa – geklonte USA?

Die „Vereinigten Staaten von Europa“ werden von Rechts (LePen) bis ganz Links (Wagenknecht) abgelehnt und das ist schon bemerkenswert.

Wie kamen die gültigen Europäischen Verträge – EUV und AEUV - (von Lissabon, 01.12. 2009) zustande..

Die „europäische Verfassung“ des greisen Adeligen Giscard d’Estaing ist zwar gescheitert. Vergesse man nicht zwei Dinge: zunächst gescheitert am Volke, in Volksabstimmungen in Franklreich und den Niederlanden. Dann hat man das Volk nicht mehr befragt, im Vertrag von Lissabon wurde das Wort „Verfassung“ gestrichen, sonst praktisch alles gleich gelassen und das Ganze nicht mehr dem Volk vorgelegt, sondern den Parlamenten, die es dann eilig ratifiziert haben. Ich finde das gut, andere nicht. Ein höchst interessanter Werdegang. Nun haben wir ein hochkomplexes Vertragsgebilde, 469 Seiten stark, an dem keiner mehr zu rütteln wagt. Fast, denn den Artikel 136 Abs. 3 wurde neu eingefügt. Er erlaubt in etwa die Maastrichtkriterien auszusetzen.

Macron als Visionär?

Seine Sorbonner Rede enthält wenig Konkretes. Und Frankreich wäre das aller letzte Land, das seine Außenpolitik einer Rats- oder Kommissionspräsidentschaft abtreten würde. Richtig, er hat der gemeinsamen Schuldenaufnahme den entscheidenden Kick gegeben. Man kann das gut finden. Bedauerlich ist nur, dass die Schwüre für "good governance" der Problemländer- als Gegenleistung für Draghis Rettungsaktion 2012 (What ever..) - nicht eingehalten wurden, die "good governance" nicht nur nicht auf ein mitteleuropäisches Niveau kam sondern sich sogar - lt. Weltbank, - meist verschlechtert (!) hat, gemessen an: "government effectiveness", "rule of law","control of corruption". Alles dies übrigens hervorragende Politikfelder für die "Regel-" und "best-practise-transfer" Power EU! Nur leider kaum beackert, wie ich finde.

Warum gerät der Wert und die Handlungsmacht der EU immer aus dem Blick??

Wir vergessen immer wieder, dass ein Friedensprojekt unter 27 Staaten in der Welt immer noch seinesgleichen sucht. Und seien wir nüchtern, der Nevus rerum ist das Geld: alle wollen ungehinderten Zugang zum Markt EU und 18 ärmere Staaten – fünf weitere sollen dazu kommen - wollen gerne die Subventionen aus der EU-Kasse. Und die Reichen wollen ihre Exporte dorthin -mangels Kaufkraft vor Ort - nicht gefährden und machen ihre Kosten/Nutzenerwägungen - zugunsten einer EU, zumindest als Binnenmarkt-Organisation und Konfliktlösungsplattform. Sind doch keine verwerflichen Motive.

Wie sehr lieben die EUropäer die EU?

Eigentlich ganz ordentlich. Das Umfrageinstrument "eurobarometer" stellt 2021 fest: "Do you feel as a citicen of the EU?" 72 %: yes". "Are you optimistic about the future of the EU?" 66% :yes, very. "Does the EU conjure up for you as a very positive Image? 45% :Positive. (conjure = ruft hervor). Na ja, das finde ich, ist eindeutig zu wenig.

Wem es wirklich um „vereinigte“ Staaten ginge, -..ever closer union,- der würde …

Wie unglaubwürdig alle Verfechter der „Vereinigten Staaten von Europa“ sind, zeigt sich am Faktum, dass man diesem Gebilde nur 1%- 1,2% des Bruttoinlandsprodukt an Manövriermasse zugestehen würde. Ein Nationalstaat hingegen verfügt über 45 – 50% des BIP. Dito "High politics": keiner auch Frankreich nicht, will ernsthaft das Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat oder im Rat in wichtigen Themen (Außen-/Sicherheits-/Haushaltspolitik) abschaffen.

Die Not ist ja nicht groß…

„1. Johannes 2,1-6“ .Solange man sich von Xi Jinping, Putin und Biden herumschubbsen lässt, kann der Leidensdruck nicht allzu groß sein. Die Geschichte von Hafen Piräus bis zum 16 + 1 Format zeigt, wie leicht sich die EU immer noch auseinanderdividieren lässt. Eine Katastrophe? Nicht wirklich. Natürlich sitzt die EU etwas unkomfortabel: Die USA sind weit weg und können leicht über die NATO Mitgliedschaft der Ukraine fabulieren, sie haben Putin nicht vor der Türe. Die USA sind auch rohstoffreich und benötigen kein Nordstream2. Und die Chinesen haben einen äußerst effizienten Entscheidungsapparat. Und sie haben sich für viele Europäer durch Vorproduktlieferungen einerseits und Absatzmarkt andererseits unentbehrlich gemacht, jedenfalls mittelfristig. Die EU ist ja bisher kaum in der Lage, mit ihrem einzigen "Pfund", ca. 450 Millionen Konsumenten, zu wuchern. Und mit einem intensiv geführten "good governance"- Initiative in den schwachen EU Ländern für ein erstklassiges Investitionsklima und damit für Arbeitsplätze und kurze Lieferketten zu sorgen. Das läge wirklich in ihrer Macht!!

Bitte keine Seifenblasen mehr, tu was Du wirklich kannst, liebe EU

Keine weiteren brüsseler Seifenblasen produzieren – man denke an die unzähligen Strategiepapiere die die Kommission und der Rat zuhauf vorgelegt haben (Leaders Agendas, Mission Statements , Weißbücher, Kommissionsprioritäten etc.) - und konzentriere man sich darauf was die EU wirklich in der Hand hat, sie ist eben auf Sicht Regelmacht und keine Geldmacht:

  1. Kooperation zu organisieren;
  2. good governance unablässig einzufordern und "best practise-Transfer zu forcieren;
  3. den Handel zu fördern;
  4. die Potentiale der EU sichtbar zu machen und zu vernetzen; und
  5. für die ganz großen Herausforderungen der Welt möglichst eine gemeinsame Antwort zu finden.

Quellen:

good governance - https://info.worldbank.org/governance/wgi/Home/Reports

https://www.newsbreak.gr/wp-content/uploads/2021/09/Standard_Eurobarometer_95_Spring_2021_First_results_EN.pdf

Dr. Johannes Rauter 09.01.2022