Die Schuldenbremse und die Zukunftsinvestitionen – eine bizarre Diskussion


Legen wir uns nicht eine gewaltige Modernisierungsfessel an, wenn wir nur mehr 12-15 Milliarden € Neuverschuldung zulassen??

Jedes Gesetz ist Kind seiner Zeit. Das ist nicht immer von Vorteil, denn Gesetze, gerade jene mit Verfassungsrang, haben ja ein erhebliches Beharrungsvermögen. Die Schuldenbremse wie sie ausformuliert ist, 0,35% vom BIP, dürfte zur Modernisierungsbremse werden. Die vielen eingebauten "Ausnahmen" sind ja keine wirkliche Lösung. Welche Interessen dirigieren diese Diskussion? Wo liegt Herrn Lindners Rationale? Hier eine andere Wahrnehmung der Dinge.

Zunächst ein gut verständliches Zitat.

"Was ist die Schuldenbremse?

Die Schuldenbremse ist nicht gleichzusetzen mit der Politik der schwarzen Null. Verfolgt eine Regierung eine schwarze Null, gibt sie weniger aus als sie einnimmt. Die schwarze Null ist eine fiskalpolitische Entscheidung, die von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr neu getroffen werden kann. Im Gegensatz dazu hat die Schuldenbremse Verfassungsrang. Sie untersagt, grundsätzlich und jedes Jahr, die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung des Haushalts.

Das bedeutet, dass der Bund innerhalb eines Jahres generell nicht die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen durch Kredite ausgleichen darf. Davon gibt es ein paar Ausnahmen:

  • Ein bisschen mehr ausgeben darf der Bund doch: Solange neue Kredite 0,35% des Bruttoinlandprodukts nicht überschreiten, gilt die Regel als eingehalten.
  • Bestimmte Sondervermögen und angesparte Rücklagen.
  • Finanztransaktionen werden aus Einnahmen und Ausgaben herausgerechnet.
  • Eine sogenannte Konjunkturkomponente wird aus Einnahmen und Ausgaben herausgerechnet. Die Höhe der Konjunkturkomponente entspricht den Mehr- oder Mindereinnahmen, von denen man glaubt, dass sie der momentanen Phase des Wirtschaftszyklus geschuldet sind.
  • Sollte der Bund in vorherigen Jahren mehr ausgegeben haben als erlaubt, resultieren daraus eventuell Rückzahlungverpflichtungen, die auf einem Kontrollkonto vermerkt werden. Diese werden den regulären Haushaltsausgaben hinzugerechnet.
  • Notsituationen wie zum Beispiel Naturkatastrophen oder der Verteidigungsfall.
  • Seit 2016 gilt die Schuldenbremse mit dem oben genannten Grundsatz und seinen Ausnahmen auf Bundesebene in vollem Umfang. Ab 2020 unterliegen auch die Länder der Schuldenbremse, diese allerdings ohne den jährlichen Verschuldungsspielraum von 0,35% des Bundes.Die Gemeinden sind von der Schuldenbremse im Grundgesetz nicht betroffen.

    Was wird gebremst?

    Die Schuldenbremse begrenzt die Nettokreditaufnahme zur Finanzierung der Haushaltsausgaben des betreffenden Jahres. Der Grundgedanke hinter der Schuldenbremse ist, dass Einnahmen und Ausgaben grundsätzlich immer im Gleichgewicht zu halten sind, also nie mehr ausgegeben wird als eingenommen wird. Die Schuldenbremse schreibt deshalb in der Verfassung fest, dass Nettokredite nicht mit dem Zweck aufgenommen werden dürfen, die (laufenden) Ausgaben des Staates zu finanzieren."

    Quelle: https://www.dezernatzukunft.org/die-schuldenbremse-erklaert/

    Was fehlt bei den Ausnahmen:

    Schulden für Investitionen für Mehr- Generationen- Projekte, so sehe ich das.

    Fakten, über die wenig diskutiert wird: Wie ist es um die Kreditwürdigkeit bestellt?

    Woran macht der „Finanzmarkt“ das fest? Natürlich an den Leistungen eines Schuldners in der Vergangenheit und an seinem Zukunftspotential. So in etwa gehen auch Rating-Agenturen vor. Deutschland hat wieder beste Bewertungen! Warum zeigt sich die deutsche Politik großteils von den hervorragenden Noten und Ratings unbeeindruckt in ihrer Vorsorgepolitik?

    2020 beträgt die Verschuldung 67% des Sozialprodukts, für eine Wirtschaft wie Deutschland eine leichte Bürde, ein hervorragender Wert (Ja selbst 80% wären leicht tragbar, solange die Zinsen < 1% bleiben). Die zugestandenen 0,35% wären gerade mal 12,2 Mrd €. Damit springt man nicht sehr weit. Und warum sollten es nicht 3% sein, wie Maastricht es erlauben würde?

    Auf einem Blick – wo liegt das Risiko?

    Verschuldung 2021 Ausblick
    Verschuldungsszenario 2021 - kritisch?

    EU-Corona-Topf, 800 Mrd. €, Deutschland haftet für ca. 208 Mrd. € und bekommt aus diesem Topf 28,8 Mrd. € zurück.

    Das wäre des Pudels Kern, was soll also der Lärm? 72% Staatsverschuldung vom BIP ist ein hervorragender Wert. Warum sich selber Fesseln anlegen?

    Unsicherheiten

    Eine Last sind die steigenden Zuschüsse in den Rententopf und das noch bei der unverständlichen Forderung nach der Rente mit 62 - bei stetig steigender Lebenserwartung. Und Wohnkosten, die die private Vorsorge überaus erschweren.

    Wie sind Wachstumsraten zu sehen? Nominal oder real? Bislang bei kaum Inflation konnte man gerade noch akzeptieren: nominal=real, bei 4% Inflation geht das nicht mehr. Und da steckt sicher ein Risiko. Ist die BIP „Wachstumsrate“ eine zuverlässige Steuergröße?

    Haben wir überhaupt die personellen und intellektuellen Ressourcen um in der vorgegebenen Zeit so hohe Sonderbudgets zu „verbauen“?

    Werden nicht dutzende von „Bürgerinitiativen“ das alles auf Schneckentempo verlangsamen? Siehe die unterirdische Stromverkabelung, die fast zum Erliegen gekommen ist? Beleg für die "Bereitschaft" wirklich was zu ändern?

    Es bleibt unklar, wie sich diese Zukunftsinvestitionen auf die öffentliche Hand, Wirtschaft und den privaten Sektor verteilen.

    Die zwangsläufigen (Transfer-)Begehrlichkeiten der (schwächeren) EU Partner, deren Verschuldung die 100% ab 2020 übersteigt. Eine mögliche weitere Belastung. Und das sind leider Große wie Italien (165%), Frankreich (118%), Spanien (120%). Wenn deren Kreditwürdigkeit - und das ist keine Überheblichkeit - nur mehr am Verbund mit Deutschland hängt. Da müßte dann schon eine "Transfer-Deckelung" deutlich kommuniziert werden, denke ich, und damit Planungssicherheit für die Beteiligten, sonst gibt das zuviel politischen Sprengstoff.Wie lang hält da das Argument (der Industrie), man müsse seine Absatzmärkte stabil halten?

    Und welche Wirkung werden die gigantischen Anleihekäufe der EZB entfalten in dieser Gemengelage? Die Begründung, man benötige 2% Inflation um einer Deflation vorzubeugen, ist, sagen wir, klingt doch heute absurd. Die Sorge um die "nötige Liquidität", dient am Ende nur Geschäften im Bereich der Schattenbanken, also der Arbitrage und Spekulation?

    Klarheit über diese Dinge scheint mir viel relevanter, als eine Staatsverschuldung von 72% vom Bruttoinlandsprodukt.

    https://www.deutschlandfunk.de/erneuerbare-energien-stau-auf-der stromautobahn.724.de.html?dram:article_id=488545)

    Dr. Johannes Rauter 31.10.2021