Nach 70 Jahren Erfahrung, hilft Geld Italien primär wirklich?


Nicht das Geld Nordeuropas sondern dessen Verwaltungskunst hilft dort primär! Geld könnte dann folgen.

Wissen wir EU Bürger, wieviel Italien praktisch geschenkt wird?

209 Mrd. "Coronahilfen", das sind 12% der Wirtschaftsleistung Italiens 2019. Und was lässt Joe Biden springen? 1 900 000 000 000$. Das sind 1 900 Milliarden oder 1,9 Billionen $. Ist das viel mehr bezogen auf die Größe des jeweiligen Landes? Nein! Das sind nur 10 % des Sozialproduktes eines Jahres und 25% der Staatsausgaben 2019, dies trifft auch für Italien zu. Also bekommt Italien mehr geschenkt bzw. zur Verfügung gestellt als die USA und zwar von außen . Übrigens, Deutschland mobilisiert aktuell 190 Mrd. €.

Geld alleine hilft nicht, EU, das ist belegt ...

Was macht es für einen Sinn, 209 Milliarden € nach Italien zu überweisen, und sich (EU) jede „Einmischung“ für deren Verwendung verbieten zu lassen, obwohl man ganz genau weis, dass dort bürokratiebedingt, nichts weitergeht wie schon oft belegt: .

SZ vom 08.03.2021, Ulrike Sauer berichtet: 749 finanzierte Bauprojekte im Werte von 62 Milliarden € sind blockiert. Zweitens Italien hat von den ihm von 2014 bis 2020 zustehenden EU Strukturfondsmittel nur 40% abgerufen. Drittens: bei der letzten Ausschreibung der Netzagentur wurden nur 25% der Fördermittel für Solaranlagen abgerufen. Schuld Bürokratie.Bei diesem Tempo, wird noch bitter sarkastisch angefügt, werden die Klimaziele Italiens erst 2085 erreicht.

Was ist Würde, das ist hier die Frage

Ja sagte ein italienischer Freund, man kann sich nicht von anderen belehren lassen, das geht doch gegen die Würde eines Staates. Das muss man doch verstehen.

Aber Geschenke anzumahnen, das geht offenbar nicht gegen die Würde eines Staates. Nicht Corona, nein die Lethargie des italienischen Staatsapparates ist die viel schlimmere Pandemie. Diese gilt es primär zu bekämpfen. Wir leben in der EU. Das hat unter anderem den Sinn, dass man voneinander lernt gerade in Feldern, in denen ein anderer mehr Kompetenz hat als man selber. Bei der Architektur und dem Bankwesen hat Europa auch nicht gezögert, von Italien zu lernen. Diese Gefälle sind auszugleichen. Best Practise Transfer ist das. Die Industrie hat das längst begriffen. Politiker, die das noch nicht begriffen haben und daher nicht heftig für solchen Wissensgewinn sorgen, gehören aussortiert, sie sind aus der Zeit gefallen. Solange solche Politiker gewählt werden und nicht jene, die den wirklichen Neubeginn wollen, solange geht es bergab.

Wie schön hören sich doch die Projekttitel an:

Mission 1 "Digitalisierung, Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Kultur"ca. 46,1 Mrd. €.

- Digitalisierung, Innovation und Sicherheit in PA, 11,4 Mrd.. - Digitalisierung, Forschung& Entwicklung , Innovation des Produktionssystems, ca. 26,7 Mrd, - Tourismus und Kultur, mit 8 Mrd. €.

Mission 2 "Grüne Revolution und ökologischer Übergang" 68,9 Mrd.

- grünes Unternehmen und Kreislaufwirtschaft, mit einem Budget von 6,3 Milliarden, - Energiewende und nachhaltige Mobilität vor Ort, das mit einem Budget von 18,2 Milliarden ausgestattet sein wird, - Energieeffizienz und Modernisierung von Gebäuden, mit 29,3 Mrd. €, - Schutz und Entwicklung des Territoriums und der Wasserressourcen, 15 Mrd. €.

Mission 3 "Infrastruktur für nachhaltige Mobilität", 31,9 Mrd.

Schiene, in Höhe von 28,3 Milliarden, wird ein "erheblicher Eingriff" in das Netz erwartet, das "im Süden dank der Unterstützung durch FSC-Mittel weiter gestärkt wurde". Während auf der Seite der Intermodalität ein Budget von 3,6 Milliarden für die Umsetzung eines "nationalen Investitionsprogramms für ein wettbewerbsfähiges und nachhaltiges Hafensystem" vorgesehen ist.

Mission 4 "Bildung und Forschung" , 28,4 Mrd. €

Komponente "Stärkung der Kompetenzen und des Rechts auf Bildung", gegen Bildungsarmut und territoriale Lücken in der Bildung 16,7 Mrd.€. Dem zweiten Cluster "Von der Forschung zum Unternehmen" stehen dagegen 11,7 Mrd. € zur Verfügung.

Mission 5 "Eingliederung und Soziales" 27,6 Mrd. €

- Beschäftigungspolitik, die mit 12,6 Milliarden rechnen kann,

Ja, Italien hat seine besten Köpfe mobilisiert ,

um nun aber wirklich das Ruder herumzureißen Draghi, Colao, Giovannini, Cingolani. Daran fehlt es nicht. Wo aber wären plötzlich die Strukturen die das tragen und durchsetzen? Es fehlt an einer Verwaltung die das umsetzen kann und an einem politischen Umfeld, das das auch zügig umsetzen will. Zu viele Erfahrungen bisher beweisen, dass Transfers nicht helfen. Und wieder glaubt man Geld hilft. Ja, punktuell bei einer Notlage des Gesundheitswesens. Der Gewissenserleichterung im Norden wahrscheinlich auch.

Wer die Schlüsselfaktoren des Erfolgs nicht im Auge hat, wie soll der erfolgreich sein?

Weder Termine sind genannt noch kommt das Wort“ le amministrazioni statali“, die Staatsverwaltungen auch nur einmal vor. Welche Lehren zieht man aus dem 70 jährigen Scheitern im Mezzogiorno? Gibt es irgend einen Programmpunkt, der gut verwaltete EU-Staaten einladen würde, mit Know-How zu unterstützen? Nichts von all dem.

Zu allem Überfluss: Vergessen wir nicht, Italien hat ganz andere Probleme

als eine grüne Revolution oder Infrastruktur für nachhaltige Mobilität. Italien hat eine ILO-definitionsbedingte – Arbeitslosigkeit von 9% (Dezember 2020) also ehrliche 13% und eine Jugendarbeitslosigkeit von 30%(!). Unvorstellbar!

Bildung, Gesundheitswesen, Infrastruktur (Genua-Brücke) sind ebenfalls unterfinanziert. Für Gesundheit gibt Italien pro Kopf der Bevölkerung rd. 2 500 € aus, Frankreich rd. 4 000 €. Bei der Bildung rd. 1 000 € (2015 letzte Zahlen), Frankreich rd. 1 500. Zahlen: eurostat. Von der Armut gar nicht zu reden.

Werner Sinn meinte im April 2020, man dürfe Italien nicht hängen lassen

Sein Rezept: man schenke Ihnen 20 Milliarden. Und fügt hinzu, „wenn es nicht reicht (=für die Corona-folgen) kann man noch mehr geben“. Da kann man nur säuerlich schmunzeln, wenn man weiß, dass rd. das Zehnfache nun bezahlt worden ist. Er wies auch zu Recht darauf hin, dass ja der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) ja bereit stehen würde. Den lehnt Italien ab, da dann an die Kreditvergabe harte Bedingungen geknüpft wären – „unvereinbar mit der Souveränität“ Italiens. Er meint „Ich fände es besser, Geschenke ( = Hilfe für die medizinische Versorgung in der Corona-Epidemie) an ein Land wie Italien, das wirklich in Not ist, zu verteilen statt Kreditverhältnisse aufzubauen“.

Die Frage, die sich nun nicht nur Werner Sinn zu stellen hat:

„Ich weis nicht, ob es gelingen wird dieses Problem (=Überschuldung der Südstaaten, keine Möglichkeit durch Abwertung Wettbewerbsfähigkeit herzustellen) durch immer mehr Transfers vom Norden in den Süden zu lösen. Damit werden Abhängigkeiten geschaffen und die Wettbewerbsfähigkeit wird nie wieder hergestellt“.

Liebe Italiener, Wissen ist Macht. Auch Wisssen um beste Staatsverwaltung. Und nur diese Macht befreit euch aus eurem Schlamassel.

Abgaben an den Staat sind Entgelt für öffentliche Güter - die alle lauthals einfordern. Die kosten auch. Beim Autokauf ist das allen klar, bei sozialen Leistungen, tut jeder so, also ob er es nicht verstünde. Zur Bereitschaft, auch für öffentliche Güter zu bezahlen, trägt entscheidend die Moral und die Effizienz jener bei, die den Staat in all seinen Formen repräsentieren. Dort liegt der Schlüssel zum Erfolg oder Misserfolg eines Staates. Hier entscheidet es sich, ober er Almosenempfänger sein will oder wirklich Sourverän. Und das heißt ohne fremde Gelder zu überleben.

Staatseinnahmen pro Kopf Erwerbstätiger
So viel verlangt der Staat pro Kopf für öffentliche Leistungen
Steigerung der Abgaben pro Kopf Erwerbstätiger
So wuchsendie Abgaben pro Kopf für öffentliche Leistungen

Werden wir wieder erleben müssen, dass das große Recoverygebäude Italiens irgendwann als als Bauruine dasteht? Da man wieder nicht das Wissen Mittel- und Nordeuropas für "good governance" übernehmen will? Der EU wird künftig nur eine Wahl bleiben: die Transfers transparent auf fixe Beträge zu begrenzen, also z.B. 20 Mrd.€ für die Süd-EU alle drei Jahre als Sondertrasfer vorzusehen. Es geht nicht an, dass der italienische Staat seine Bürger bei Steuern "schont" und andere diese Zeche bezahlen sollen. So wird die Akzeptanz der EU großen Schaden leiden, denke ich.

Man gibt gerne das Geld, wenn es auf fruchtbaren Boden fällt. Aber eben nur dann. Wäre es präpotent so zu denken?

Besonders bitter ist diese administrative Unfähigkeit angesichts des Opfers, das die mutigsten Richter unserer Zeit, Falcone und Borsellino, der Idee eines gut geführten, sauberen Staates gebracht haben

Quellen

Recovery-Programm https://www.fasi.biz/it/notizie/strategie/22519-recovery-fund-recovery-plan-piano-ripresa-resilienza.html

Arbeitslosigkeit: https://www.soldionline.it/notizie/macroeconomia/occupazione-italia-2020

Für alle anderen Daten : eurostat

Dr. Johannes Rauter 20.03.2021