Laudationes: Mario Draghi makellos ?! Wahrnehmungen aus Bürgerperspektive


An Herausforderungen fehlte es nie - wie ist er sie angegangen? Und dabei mußte Draghi wohl manchem Herren dienen.

Ist die Leistung eines Notenbankchefs leicht zu beurteilen? Eher nicht. Dazu sind die Länder seines Verantwortungsbereiches zu verschieden. Die großen Gewinner sind die hochverschuldeten EU Länder. Ein Beitrag zur Stabilität der EU? Vielleicht, ein kleiner. Und die großen Gewinner sind jene, die 2010 Aktien und Immobilien hatten. Mit "Null%-Zins" wurde ein gesellschaftlicher Spaltpilz gesetzt, der dereinst Draghi weniger gut aussehen lassen könnte. Verlierer sind alle, die mit positiven Zinsen rechnen müssen, Banken, Lebensversicherer und Sparer. Das trifft natürlich nur jene, die wirklich auch etwas auf der hohen Kante haben. Beruhigt sein können nur jene, deren Staat für ausreichende Renten gesorgt hat, wie z.B. Österreich.

Draghis Beiträge

Draghi hat in drei Richtungen geleistet, er hat 2012 das Missmanagement vieler Staaten und Banken mit dem Aufspannen eines gewaltigen Kreditrahmen aufgefangen. Und er hat uns die Null-Zinspolitik beschert, die nun von Land zu Land ganz anders wirkt. Sie beschert Verschuldeten, die sensibel auf die Zinshöhe reagieren, Luft zum Atmen, was nicht überall als sehr sinnvoll angesehen wird. Sie gefährdet auch die Altersvorsorge, wie hierzulande, was viel Missmut auslöst. Drittens verfolgte er das Ziel "Preisstabilität" (als 2% Inflation definiert) mit einer Geldschwemme, dem Anleihekaufprogramm. Einer Theorie folgend die aus den 30 iger Jahren stammt, Deflation sei von Übel, da sie Kaufzurückhaltung provoziere. Daher 2% Inflation, auch dafür, dass Gewinnperspektiven für das tägliche Investiern bleiben mögen. Wobei die Preisverfälle heute bei globalen Märkten ganz anderer Natur sein können, gerade im Vergleich zu den 1930 iger Jahren! Etc. etc..

Hatte Draghi ein Wundermittel?

Er wird Retter aus der „Eurokrise“ genannt. Was steckt hinter Draghis „. What ever it takes-Rede aus 2012? Er nannte der Presse keine detaillierten Maßnahmen. Meiner Meinung nach schaffte er die Organisation eines gigantischen Kreditrahmens, unter Missachtung der "No-Bail-out" Regel der EU (2). Dieser Tabubruch, der wohl leider sinnvoll war, das war seine Leistung. Das bedeutete: 60 Mrd. Euro aus EU-Gemeinschaftsmitteln bereit stellen. Darüber hinaus standen die Mitgliedstaaten bereit, diese Mittel durch eine Zweckgesellschaft aufzustocken, die sich am Markt mit bis zu 440 Mrd. Euro verschulden darf. Der IWF wird bis zu 250 Mrd. Euro bereitstellen. (4) Haftung, wenn es schief gegangen wäre?

Mit Blick auf Deutschland …

Seine für Deutschland indirekte Leistung war die Stabilisierung wichtiger Absatzmärkte der Deutschen Export – und Finanzindustrie. Er ist Kreator der europäischen Null-Zins-Epoche, - mit all ihren negativen Folgen für renditeabhängige wirtschaftliche Dispositionen zur Zukunftsvorsorge. Die Verluste der Sparer 2018 sind 3% von 2,5 Billionen (alles Sparen, das nicht in Wertpapieren oder Versicherungen steckt) also 75 Milliarden € nicht erhaltene Zinsen. Vorausgesetzt, all dieses Geld läge allein auf Sparbüchern. Selbst wenn man 15% auf Girokonten zu kalkulieren hätte, bleibt der Verlust riesig. Die Zinsersparnis der öffentlichen Hände durch die Zinsflaute betrug im selben Jahr ca. 32 Milliarden (1). So gesehen ist der Ärger verständlich und man sollte Deutschland nicht mangelnde Solidarität mit den ärmeren EU Ländern vorwerfen, wie es häufig geschieht.

Die sogenannte €-Krise

Was war 2010: Kampf gegen die Krise durch den Megafinanzschwindel von gewissenlosen Finanzjongleuren, die "asset backed securities" kreierten, faule Immobilienkedite, "gesichert" durch Immobilien die längst ihren Wert verloren hatten. Und die noch weltweit gestreut worden sind! Ausufernde öffentliche Misswirtschaft der GIIPS – Staaten und oft auch ihrer Banken. M.E. absolut fälschlich Eurokrise genannt. Der € hatte damit nur insofern zu tun, dass schwache €-Staaten nun in den Genuss zu niedriger Zinsen kamen, im Widerschein von Deutschlands Bonität. Und manche konnten sich durch die festgezurrten Wechselkurse im €-Raum nicht mehr durch Abwertung wettbewerbsfähig machen.

Auch eine Laudatio auf einen Schwindel?

Der große Schwindel: Draghis Null-Zins-Politik habe den Immobilienkäufern genützt. Ja vielleicht auf dem Lande, weit ab von Metropolregionen. Eher ein Danaer-Geschenk für die Mehrheit:

Ein junges Ehepaar träumt in Germering von einer Drei-Zimmer Wohnung, die Zinsen seien ja soo billig. Da Herrn Draghi's Geldflut kaum produktive Investitionen aber die Immobilien- und Aktienhausse angeheizt hat, kostet diese Wohnung in Germering nun statt 3 000 € pro qm nun 5 000 €. Also stieg der Wohnungspreisvon 280 000 auf 467 000 . Bezogen auf die genannte Drei-Zimmer- Wohnung bedeutet dies, dass der Wert der Wohnung in fünf Jahren um 187 000 € gesteigert wurde. Die Zinsersparnis von 4 % auf 0% hätte in fünf Jahren gerade mal 56 000 € Kostenersparnis gebracht. So platzt der Traum unseres Ehepaars. Selbst wenn man eine „normale" Immobilienpreissteigerung von 2% p.a. annimmt, betrügen die Mehrkosten immer noch 165 000 €. Jetzt kaufen Erben und Großinvestoren - mit der bekannten Wirkung auf die Mieten. Und wer bezahlt also diese Zeche?

Danke Herr Draghi, sagen alle die schon eine Immobilie haben. Und manche vergießen Krokodilstränen über die „Spaltung der Gesellschaft“ in Arm und Reich und, dass die Vermögensbildung in der Breite einfach nicht ins Laufen kommen will.

Quellen:

1 Eigene Berechnung auf Basis von Daten der Deutschen Bundesbank und destatis:

https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/data?operation=abruftabelleBearbeiten&levelindex=2&levelid= 1580921772718&auswahloperation=abruftabelleAuspraegungAuswaehlen&auswahlverzeichnis=ordnungsstruktur& auswahlziel=werteabruf&code=81000-0001&auswahltext=&werteabruf=Werteabruf

Bundesbank Zinsausgabe

https://www.bundesbank.de/de/presse/pressenotizen/deutsche-staatsschulden-783598

2 Die Nichtbeistands-Klausel (auch No-Bailout-Klausel) bezeichnet eine fundamentale Klausel der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU), die in Art. 125 AEU-Vertrag festgelegt ist und die Haftung der Europäischen Union sowie aller Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten einzelner Mitgliedstaaten ausschließt. https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=No+bail+out+Klausel

3 https://www.welt.de/wirtschaft/article7563528/Woher-kommt-das-ganze-Geld-fuer-das-Auffangnetz.html

4 Anleihekaufprogramm

https://www.shz.de/deutschland-welt/wirtschaft/die-ezb-produziert-geld-aus-dem-nichts-id15555451.html

Sparen der Deutschen

https://www.savedo.de/neuigkeiten/trotz-zinsflaute-sparen-die-deutschen-kraftig

Zur französichen Sicht:

https://www.lesechos.fr/monde/europe/qui-sont-les-gagnants-et-les-perdants-de-lere-draghi-1142551

Dr. Johannes Rauter 09.02.2020