Wie glaubwürdig ist sie gemessen an den Möglichkeiten der EU und ihren Erfahrungen aus dem letzten Sextannium
Geburtsfehler erkennbar?
Strategien sind Absichten bezüglich der Zukunft. Sie sind der Ausdruck eines Willens, rational zu gestalten. Das ist gut. Aber wie gut sind Strategien? Strategien, ohne die Erkenntnisse der Vergangenheit zu würdigen und die eigenen Möglichkeiten realistisch einzuschätzen, haben Geburtsfehler. Hat man das berücksichtigt?
Vielleicht hilft zunächst ein Blick zurück:
Wie sind die letzten sechs Jahre gelaufen?
Die erste Erkenntnis ist, die Kommission hat bestenfalls 50% der künftigen Anforderungen in ihrer Strategie 2014 erfaßt. Ist das schlecht? Ja und Nein. Ja, weil sich vieles angedeutet hat, wie die Migration und man handelte nicht. Nein, weil plötzlich auftauchende Probleme die Aufmerksamkeit in Anspruch genommen haben. So schlecht war „die EU“ gar nicht im Management plötzlich auftretender Unannehmlichkeiten. Bedenke man immer, dass sich mindestens vier Meinungsblöcke einigen müssen inclusive der – meist - Solotänzer Frankreich und Deutschland. Und das bedenke man auch, wenn man die neuen „Prioritäten“ bewertet, wie ich das tun werde.
Schlussfolgerung
Das Unvorhergesehene bestimmte die Agenda! Wird das auch künftig so sein? Eigentlich nicht: Klima und Migration sind als Megathemen angekommen. Viel Schlimmeres kann nicht kommen, ggf. eine Krise ähnlich 2007. Da haben wir dazugelernt. Was sein könnte, dass infolge des Brexit - Türkei ist auch nicht in der EU - jene Auftrieb erhalten, die propagieren, dass ein Austritt aus der EU nur halb so schlimm sei als von Brüssel behauptet ...
Wichtige Denkrichtungen für die Kommission
Zwei Stoßrichtungen sind zu unterscheiden: Erstens wie kann die EU in ihrem engeren Aufgabenbereich, nämlich die Agenden der Artikel 3 (alleinige Verantwortung) und Artikel 4 AEUV (geteilte Verantwortungen), erfolgreich agieren. Zweitens, wie kann die EU auf die Megaströmungen der Weltpolitik und der sozial-ökonomischen Entwicklungsströme wirklich Einfluss nehmen. Entspricht das neue „EU-Regierungsprogramm" dieser Logik? Daran schließt sich auch gleich die Frage:
Woran könnte man ein Regierungsprogramm messen?
Das Regierungsprogramm von von der Leyens Kommission folgt sechs Prioritätenclustern
Vergleichen wir:
A Sehen wir uns an, was denn die EU Bürger am meisten bedrückt (eurobarometer Herbst 2019, Standard-Eurobarometer 92 Herbst 2019), die top 6 Themen daraus
Für mich gibt es da doch einen auffälligen „Missmatch“.
B Wie ist das Programm, gemessen an den Wirkmöglichkeiten der EU, dazu folgende Darstellung (Meine Erkenntnisse):
Hier sehe ich zu viele Inkonsistenzen.
C Meine Sicht nach mehrjähriger Beschäftigung mit der EU: Themen, die wirklich von der EU selbst beeinflusst werden können:
Hierzu Daten zur Stoßkraft Chinas im Außenhandel, in Milliarden € 2019. 11 Monate hochgerechnet auf Gesamtjahr: 2019 Exporte China nach den USA : 457 ; Chinas Überschuss: 350; Exporte Chinas nach der EU (o.Deutschland): 345; Chinas Überschuss: 217 .
Auch so gemessen ist das "Regierungsprogramm" nicht sehr schlüssig.
Fazit:
Wenn man die EU wirklich kennt und ihren (weitgehend noch national sozialisierten) Charakter als Wesen sui generis begriffen hat und zum zweiten begriffen hat, dass der Friede den die EU geschaffen hat, das höchste Gut für uns Europäer ist, dann muss man Nachsicht walten lassen, sogar herzlich dankbar sein.
Was für mich ohne Wenn und Aber zu kritisieren ist
Dass Dinge, die sie wirklich beeinflussen kann, kaum genannt werde. Zum Zweiten, dass Reformbestrebungen, die eigentlich auf Herrn Junckers „Fünf-Szenarienpapier“ endlich angegangen werden müssten, vor allem Szenario 4 – "Weniger EU, aber effizienter" aus 2017, gar nicht vorkommen. Zum Ditten, das fehlende Thema Migration. Und: wo bleibt ein Wort zu Verteidigungskonzepten der EU? Das sind für mich schwere Mängel.
Ich trete hier auf als einer jener Bürger, deren Motivation für die EU eigentlich den Kitt für die EU abgibt. Das sollten jene, die die EU kommunikativ darstellen, nie vergessen. Schlechte Kommunikation - oder ist es gar schlechte Prioritätensetzung - hilft nur den linken und rechten Rändern. Nehmen man das nicht auf die leichte Schulter in Brüssel.
Quellen:
Außenhandel eurostat, comext
eurobarometer, Herbst 2019
"Regierungsprogramm" der Kommission, wie im Internet veröffentlich.
SZ dazu vom 01.01.2020 online
Meine Recherechen seit 2015 zur EU
Dr. Johannes Rauter 06.02.2020