Das Drama der schwarzen Nullen


Schwarze Null, das sei reine Ideologie und daran festzuhalten sei nur der Angst vor Gesichtsverlust geschuldet. Das ist der Tenor eines Großteils der Presse. So einfach ist es nicht!

Wir werden mit neuen Lebensumständen zu rechnen haben, die Draghi-Null und die Schäuble-Null sind ein äußeres Zeichen dafür. Beides wird uns Bürgern nicht zwingend erklärt. Dabei gibt es keinen Grund, uns im Unklaren zu lassen. Oder stehen die maßgeblichen Eliten nur auf dem dünnen Eis des Meinens und nicht auf dem Fundament von Wissen? Der Zustand sollte schnell beendet werden . . .

Maastricht gilt immer noch!

Fakten: Es geht nicht um die schwarze Null, sondern zunächst darum, sich an eines der wichtigsten Maastricht-Kriterien zu halten: die Staatsverschuldung bei 60% vom BIP zu halten (auf den Bund entfielen 2018 63% davon). 2018 stand Deutschland bei 61% (eurostat). 1998 stand Deutschland bei 59,5% und eine 10-jährige Anleihe brachte/kostete 6% Zinsen. Heute 0%.

Die Maastrichtregel gilt für alle €-Länder, das starke Deutschland vertrüge mehr…

Wir stehen heute am Ende einer Boomphase und die Politik hat in diesen guten Zeiten das richtige getan: die Staatsverschuldung von 81,8% in 2010 auf 61% runtergefahren. Trotz schwarzer Null, es konnte der Bund 2018 um 29 Milliarden mehr ausgeben als 2013. Vergessen? Die USA stehen heute bei 106%, - wohl den Steuergeschenken geschuldet - die Schweiz bei 29%, Kanada bei 91%, China bei 50,5% Staatsverschuldung vom Bruttoinlandsprodukt. Bleibt Deutschland beim ausgeglichenen Haushalt, wird sich die Staatsverschuldung weiter reduzieren. Deutschland ist eine der Top Emissionsadressen.

Deutschland hat Spielraum - notwendige aber nicht hinreichende - Bedingung, um zusätzliche 45 Milliarden p.a. auszugeben …

Deutschland hat so gesehen fiskalisch Spielraum. Erhöhte man die Gesamtschulden von 61% auf 63% vom BIP: bedeutete dies 68 Milliarden mehr, mehr als die geforderten 45 Milliarden p.a.! Wo aber schaffte dieses Geld wirklichen Mehrwert? Die Diskussion darum, bitte klar und quantifiziert führen, die fehlt mir heute als Steuerzahler komplett. Keine „ökonomischen Gesetzmäßigkeiten“ können beweisen, ob 61 oder 63% vom BIP Staatsschulden für Deutschland „kriegsentscheidend“ seien.

Die Volkswirtschaftler müssen jedoch jene Szenarien aufzeigen, die der zusätzliche Geldregen heute auslösen dürfte ( So viele Meinungen wie Institute?):

  1. Die Beschäftigung muss bei 3,1% Arbeitslosigkeit (eurostat) gerade mal nicht angekurbelt werden.
  2. Infrastrukturprojekte: Funklöcher beseitigen, Bahn ausbauen, ja. Nur, Bau-Kapazitäten fehlen doch und die Planungskapazitäten sind angeblich völlig ausgelastet ….
  3. Entschuldung von Kommunen mit einer pro Kopfverschuldung von mehr als 4000 €, das wäre mit einem Federstrich möglich.
  4. Rentendiskussion glasklar: es müssen steigende Steuermittel dorthin fließen. Warum den Soli abschaffen und nicht die heute 18,6 Milliarden in die Rentenkasse umleiten? Der Aufbau einer zweiten kapitalgedeckten Säule, meine Rechnung: Zur kapitalgedeckten Rente (nsäule) der FDP: Die gesamte Dividende der 30 DAX unternehmen betrug 2018 36,1 Milliarden. Das entspricht gerade mal 14% der heute bezahlten Rentensumme von 260 Milliarden. Dem entsprach ein Marktkapitalisierung dieser DAX- Unternehmen von 1.110 Milliarden €, das wiederum entspräche 58% der gesamten deutschen Staatsverschuldung. Wer will die Billion aufbringen, klimaneutral investieren und eine Dividendenrendite von 3% erreichen? Wie realistisch ist denn das? Die Rentenkommission brütet noch, Zahlen liegen m.W. noch nicht vor, man darf gespannt sein.
  5. Technologiefortschritt beflügeln? Das überlasse man primär den Unternehmen und deren Überlebenswille, verbesserte Abschreibungs-möglichkeiten für Innovatives, ja.
  6. Klima, Migrationsbewältig, Digitalisierung: das sind neue, große Ausgabeposition, wo bleiben die nachvollziehbaren, konkreten Projekte?
Quälenden Zulassungs- und Anhörungsprozeduren: Wir können nicht alles haben, den Juchtenkäfer drei oder vier Parteienkoalitionen und schnelle Prozesse bei Infrastrukturprojekten. Auch diese politische Nuss ist nicht geknackt.

Es sei zu viel Kapital da, es würde zu viel gespart meint der große Wirtschaftsweise Nikolaus Piper…

Das verstehe ich nicht, nicht das Sparen, sondern die Geldschwemme die die EZB glaubte lostreten zu müssen sorgt doch vor allem für das Übermaß an Liquidität! Alle Gurus meinen, das sei nötig, damit 2 % Inflation erreicht werden könne. Warum, das sagt keiner. Früher meinte man, Preissteigerungen würden das Unternehmertum anstacheln, da steigende Preise die „Rendite“-phantasie befeuern und damit das Projektgeschehen. Es ist wohl eher so, dass in den reifen Volkswirtschaften die Ideen für Projekte ausgehen. Dazu Eckdaten aus China: Loan Prime Rate (LPR) über ein Jahr liegt unverändert bei 4,2 Prozent; die Inflation stieg in 2019 von 1,9 auf 4,5% und die Staatsverschuldung, s.o. liegt bei 50,4%. Daten eines noch stark wachsenden Schwellenlandes. Zu behaupten Google benötigte weniger Investment als Thyssen Krupp ist schon wahr, nur gibt es in der EU keine Googles und Facebooks und Stahl ist auch weitgehend im Sinne einer wohlstandsschaffenden (!) Arbeitsteilung abgewandert, Stichwort Spezialisierungsgewinne (Prof. Felbermayer). Fakt, es wird eine neue Wirtschaft geben müssen, glücklich der, der deren Strukuren erkennt und vorangeht mit dem ganzen großen Rattenschwanz an Anpassungen unserer Gesellschaft.

Wie unlogisch

Am Montag schreien alle nach Wachstum, da sonst dem Wohlstand und der Beschäftigung Schlimmes drohe, am Dienstag malt man bedrohliche – wohl auch wahrscheinliche - Klimaszenarien an die Wand, die ja gerade dadurch zustande kommen, dass jenes, so erwünschte Wachstum, mit Wachstum des Ressourcenverbrauch gekoppelt ist, und das beschert uns wiederum die Klimaprobleme. Daran sieht man m.M., wie wenig unsere Eliten das durchdacht oder uns verständlich erläutert haben, was auf uns zukommt und wie das abzuwenden sei.

Es gibt zwei Hoffnungen

Maßnahmen gegen Klimawandel, also das öffentliche Gut, Begrenzung der Erderwärmung wird nur zulasten privater Güter, also des Konsumstandards zu haben sein: Wenn es alle gleich treffen wird, dann ist das Gerechtigkeitsproblem gelöst, das muss Politik leisten. Geling das, können wir mehr ertragen, als wir jemals glaubten. Zweitens, ein Smartphone war vor 30 Jahren völlig undenkbar. Es gibt es aber. Das macht mich zuversichtlich bezüglich unserer technischen Problemlösungsfähigkeit. Dies mit guten Rahmenbedingungen zu steuern, ist auch eine politische Aufgabe erster Ordnung.

https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2019/2019-01-15-PM01-Abschluss-BHH2018.html

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167167/umfrage/staatsverschuldung-von-china-in-relation-zum-bruttoinlandsprodukt-bip/

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/176807/umfrage/monatliche-inflationsrate-in-china/

Dr. Johannes Rauter 16.05.2020