Die geopolitische Lage, die die Demokratie so leuchtend machte - die ist für immer verschwunden! Und die entscheidenden Akteure tun bisher nichts, um dagegen zu halten!
Kluge Analytiker der Zeitläufte von H. Münkler bis Gregor Gysi zeichnen das Bild - wo bleiben die Konsequenzen, die die aktive Politik ziehen sollte?Die entscheidenden Akteure haben m.E. bisher keine Idee präsentiert, wie Demokratie zwischen weitgehend autokratischen Staaten mit zum Teil erfolgreichem Staatskapitalismus, China, sich durchsetzen könnte ...Ausgangslage
Der stabile, wenn auch bedrohliche Zustand des Kalten Krieges stellte eines sicher: Advantage Demokratie- mehr Wohlstand, eine konvertible Währung, Rechtssicherheit, mehr Innovation, weniger Bevormundung. Alles sprach für die Demokratie, die auch vom Nachkriegs-Nachholbedarf mit seinen satten Wachstumsraten bestens unterstützt worden ist.
Die Veränderung
1. China taucht auf, als autokratisches System, aber mit einer Art von Staatskapitalismus, der anders als die Sowjetunion und später Russland, ein innovativer, das Elend der breiten Masse effektiv bekämpfender, die restliche Welt nicht missionierender, Staat.
2. Die Doppelmoral des Westens, Paradebeispiel der Irakkrieg der USA und die Aufarbeitung der Kolonialzeit sowie eine eher egoistische Handelspolitik des Westens, gerade gegenüber Afrika und Südamerika, das erzeugte ein neues Bewusstsein bei den (armen) 70% der Weltbevölkerung, das deren Gefolgschaft für den Westen und seine Werte dramatisch untergräbt.
3. "Durchregieren". Die USA, bzw. der derzeit herrschende Milliardärs-Clan, sieht im riesigen Erfolg Chinas auf wirtschaftlichem und technischem Gebiet, durch sichtbares "Durchregieren" bzw. Durchsetzen einer als richtig erkannten Linie ohne Rücksicht auf Institutionen, einen neuen Schlüsselfaktor für Erfolg -letztlich im Sinne ihrer Investments. Nämlich zurückdrängen aller Institutionen, die eine regelbasierte - sie vermeintlich behindernde - Ordnung stützen.
Die Antwort - könnte eigentlich nur aus Europa kommen ...
Nur hier ist man weit davon entfernt eine Lösung zu haben oder geopolitisch zu denken.Die Lösung kann nur "handlungsfähige Einheit" heißen. Die, kurioser Weise, keiner will! Auch den hochgelobten Start Merz' in der Außenpolitik, den viele im Moment beklatschen sehe ich nicht: Ja er hat es geschafft, sich von Trump nicht öffentlich abkanzeln zu lassen. Er meint, er hätte die Migrationswende geschafft - aber ohne die Rechnung mit dem europäischen Regelwerk gemacht zu haben. Und die krönende Botschaft, das Abschmettern des EU Zukunftsbudgets, 1,35% vom BIP , als inakzeptabel. Gedacht für die Agenden der EU im künftigen Finanzrahmen. Eine Initiative zur Abschaffung der Einstimmigkeitsbestimmungen in den EU-Verträgen bei Außen- und Sicherheitspolitik - kein Thema für ihn. Aber nur das und eine kleine, unter einem Kommando stehende Verteidigungs-EU aus 4 Staaten, nur in dieser Richtung kann eine Lösung zu finden sein, denke ich.Und Demokratie national?
1. Langsamkeit
Wir werden uns in der Tat ansehen müssen, was denn den politischen und damit gesellschaftlichen Fortschritt hemmt und zu oft verlangsamt. Und hier gilt es heilige Kühe z.B. eine zu extensiven Bürgerbeteiligung bei wichtigen gesellschaftlichen Anliegen, auf den Prüfstand zu setzen.2. Gerechtigkeitslücken
Dann ist das Gerechtigkeitsthema meist schlecht gelöst in einer Region die fast 80 Jahre sich friedlich entwickeln konnte aber das Wachstum der Vermögen Ungleichheit zwangsläufig hervorbrachte.Das sorgt dafür, dass Loyalitäten schwinden und Populisten mit einfachen Rezepten Unzufriedenheiten bewirtschaften.3. Nationalismus
Und dann ist da eine Politikerkaste, die alles tut, um ein handlungsfähiges EU zu verhindern. Es bedarf sicher vieler Schritte um das Nationale wieder ein Stückchen zu überwinden und die Einstimmigkeiten abzuschaffen. Also Kompetenzen für die supranationale Ebene der EU. Leider bremsen hier die verbalen Ober-Europäer, Deutschland und Frankreich.Die falschen Retter - die Populisten
1. "Keine Opfer".Sie haben es leider leicht in einer Zeit, da geringeres Wachstum der Politik das Priorisieren aufzwingt.Überall Steuersenkungen fordern. Schulden steigen lassen, das sei unausweichliche Politik? Ja Schulden braucht es, will man die Zukunft meistern, aber der Gesellschaft gar nichts mehr abzuverlangen kann es auch nicht sein. Soli nur für Besserverdienende - das sei abzulehnen (Süddeutsche Zeitung 27.03.2025 im Schulterschluss mit der AfD!) das ist schon eine verquere Sicht auf das Thema Verteilungsgerechtigkeit, denke ich.
2. "Zuviel Brüssel!" Nun es wäre ein Einfaches konkret zusagen, welche Agenden aus den Artikeln 3-6 AEUV zu streichen wären, um weniger "Brüssel" zu haben. Ich habe davon noch nie gehört. Das zeigt, wie gut die Populisten über die EU und ihren Sinn Bescheid wissen.
3."Zuwanderung". Es ist richtig zu diskutieren, wie eine geregelte Zuwanderung auszusehen habe. Remigration zu fordern, um von einem Tag auf den anderen sämtliche Krankenhäuser des Landes lahm zu legen, das klingt auch nicht nach staatsmännischer Kompetenz.
Option: Sicherheit, Öl und Gas unter russischer Hegemonie ...
Etwas muss uns klar sein, wenn eine demokratische Mehrheit ein sicheres und kontrolliertes Dasein unter russischer Hegemonie kuscheliger findet, dann ist das eben auch eine Option.Gegen die sich hoffentlich dann doch eine breite Mehrheit findet. Aber dann auch entsprechende Änderungen der Politik bereitwillig mitträgt.
Es dürfte sich lohnen in so mancher politischen Wortmeldung aus populistischer Ecke mal nach den Ängsten dahinter zu forschen, zumal bei jenen, die nicht mal 20 000 € auf der hohen Kante haben und das dürfte eine beträchtliche Zahl sein und zu fragen, hat die Politik heute auch gute Antworten darauf?
Dr. Johannes Rauter 31.07.2025