Der Kampf um eine Milliardeninvestition: EU (Bulgarien) oder Nicht-EU (Türkei), das ist hier die Frage. VW muss Unternehmensziele verfolgen, keine Sozialpolitik. So ist unser Wirtschaftssystem. China's Investment in Griechenland ist auch ein Fanal.
Es geht um einen neuen Werksstandort für VW. Gibt es gute Gründe, nicht in Bulgarien sondern in der Türkei zu investiere? "Soziale EU" hier muss es sich zeigen. Es geht um das ärmste EU-Land, dem eine große Perspektive genommen wird. Aus guten Gründen? Millionen haben das Land verlassen, mangels Perspektive. Ist das EU-Solidarität, dort dann doch nicht zu investieren? Hier ist die Kommission gefragt also vor allem Frau Präsidentin von der Leyen, Bedingungen zu schaffen, dass solche Investitionen in der EU bleiben. Die letzte Entscheidung bleibt bei Herrn Diess und der VW Führungsriege, zweifellos. China zeigt, dass übergeordnete Interessen, stärke sein können als ordnungspolitische Ideen. So geschehen bei seinem Griechenland-Engagement, wie Frau Schlötzer in der SZ vom 13.11.19 darlegt. Die EU beteuert auch immer übergeordnete Interessen: die EU und deren Zusammenhalt, nur sie handelt bisher nicht darnach, wo sie eigentlich könnte. Das "Große Ganze" scheint durch 28 nationale Brillen nicht erkennbar.Zunächst der Fall VW: ist hoch interessant, er schien schon entschieden, Bulgarien als EU-Land hat geliefert und die Türkei sollte das Rennen machen. Bulgarien war frustriert, SZ vom 04.10.19, "Bulgarien verärgert": Bulgarien hatte alles was nach den Regeln der EU zugesagt werden durfte erfüllt. So wird der Ex Präsident Rossen Plewneliew zitiert. Genützt hat es nicht. Zunächst.
Die WAZ berichtet am 15.10.2019 dazu:
„ Wolfsburg: Die international kritisierte Militäroffensive der Türkei in Syrien hat längst Auswirkungen auf die Wirtschaft. Volkswagen legt nun eine Entscheidung für ein neues Werkes nahe der Metropole Izmir auf Eis. Ist die Milliarden-Investition in Gefahr?“
„Die US-Regierung hatte jedoch zu Wochenbeginn angekündigt, Zölle auf den Import von türkischem Stahl deutlich zu erhöhen,… Somit steht nun nicht mehr nur hinter der politischen Stabilität der Region ein großes Fragezeichen, sondern auch hinter der wirtschaftlichen Perspektive der Türkei. Das kommt den Wolfsburgern sehr ungelegen“
„Nach dpa-Informationen waren die Details für das Investment so gut wie festgezurrt. Den Ausschlag für ein Investment in der Türkei statt im EU-Land Bulgarien würde demnach die deutlich bessere Wirtschaftlichkeit des Projekts in der Türkei geben. Nicht zuletzt staatliche Subventionen sorgten im Zusammenspiel mit einer vorhandenen Zulieferindustrie und gut ausgebildeten Arbeitern für Vorteile bei einem Bau in der Türkei.“
Sind das alle Gesichtspunkte? Nein, denke ich
Andere interessante Akspekte finde ich nicht behandelt. Wie man weis, gibt es seit 01.01.1996 eine Zollunion mit der Türkei, so dass z.B. KfZ zollfrei aus dem EU Raum nach der Türkei geliefert werden dürfen. Also, dies ist kein Grund, in Izmir zu investieren.
Blickt man auf die Arbeitskosten, dann ist festzustellen, dass lt.Institut der Deutschen Wirtschaft die Stunde in Bulgarien (2018) 4,60 € und in der Türkei 4,80 € kostete. Also an den Arbeitskosten kann es nicht liegen. Wie steht es um die Good Governance? Der Korruptionslevel ist derselbe (bescheidene, Rang 78 bzw. 77 in 2018, bestes rating wäre 1). Allerdings im Ranking bei Good Governance (2018) der Weltbank schneidet Bulgarien bei den entscheidenden Kriterien besser ab, jeweils Pluspunkte, (Maximum = 100):
Warum also zieht Bulgarien den Kürzeren. Liegt es vielleicht an den besonderen Subventionen die da in der Türkei winken? Die Bulgarien mit Rücksicht auf EU-Regularien nicht gewähren kann oder darf? Warum investierte China in Griechenland: Piräus (Hafen), Solarfelder, Windparks. Oder wäscht hier eine Hand - griechische Reeder, (20% Weltmarktanteil, China als Schiffslieferant) die andere -China (globale Sicht von Ressourcen und Märkten, Sicherung von "Brückenköpfen")?
Die "Soziale EU?"
Wie kann es sein, dass ein EU Land die so wichtige VW-Investition zu verlieren droht. Das zu verhindern wäre konkret "Soziale EU", denke ich. Wie kann es sein, dass man machtlos zusieht, wie die künftige Weltmacht Nr. 1 Loyalitäten von der EU-Stange kaufen kann, ohne dass wirksame Ideen dagegen von der EU entwickelt werden?
Frau Kommissionspräsidentin von der Leyen, werden Sie tätig. Jetzt wo der neue Finanzrahmen festgelegt wird könnte man ein Leuchttumprojekt für Bulgarien starten und VW die Vorausetzungen liefern in Bulgarien zu investieren, das Tausenden von Menschen wieder Hoffnung geben kann. Und ganz grundsätzlich eignete sich der Fall, darüber nachzudenken, welche Voraussetzungen von der EU geschaffen werden können, damit Investitionen in der (ärmeren) EU getätigt werden!
Ein Szenario das keiner in der EU wünschen kann
Wird die EU zunehmend unattraktiver für große Investoren? VW ist das Beispiel. Oder Arcelor Mittal, der aus Süditalien getrieben wurde. Oder sind wir der chinesischen Investitionsphilisophie nicht gewachsen, fehlt es an chinesischem Pragmatismus? Oder preisen wir uns mit einem unüberlegten "Sozialen Europa" aus den Märkten heraus? Oder ist es letztlich nicht doch so, dass ohne Good Governance zuerst, kein Investitionsklima entstehen kann und keine Gelder fließen werden. Die neue Kommission und das neue EU Parlament mögen darüber nachdenken, aber bitte nicht zu lange.
Quellen:
https://www.waz.de/wirtschaft/volkswagen-verschiebt-entscheidung-ueber-werk-in-der-tuerkei-id227368419.html
Industrielle Arbeitskosten im internationalen Vergleich IW Köln, https://www.iwkoeln.de/studien/iw-trends/beitrag/christoph-schroeder-industrielle-arbeitskosten-im-internationalen-vergleich-430302.html
https://www.laenderdaten.de/indizes/cpi.aspx
https://info.worldbank.org/governance/wgi/
Dr. Johannes Rauter 13.11.2019