„Phantomschmerz Wechselkurs“ Sahra Wagenknecht, Forum , SZ 16.02.2013

Ideologie scheint mir, trübt immer den Blick auf Tatsachen. Bei Frau Wagenknecht bedauerlich, sie ist immerhin Schumpeter-Leserin. Sie analysiert oft treffend: Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs oder die mangelnde industrielle Basis Griechenlands. Oder dass die Abwertungswünsche Franksreichs alles nur schlimmer machen würde.

Die Linke sieht Deutschland als Lohndumper in Europa

Engt hier ideologische Vorprägung die Erkenntnisfähigkeit?

Ausgangslage

Ideologie scheint mir, trübt immer den Blick auf Tatsachen. Bei Frau Wagenknecht bedauerlich, sie ist immerhin Schumpeter-Leserin. Sie analysiert oft treffend: Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs oder die mangelnde industrielle Basis Griechenlands. Oder dass die Abwertungswünsche Franksreichs alles nur schlimmer machen würde. Auch einzelne Aspekte der Kritik an Banken (managern), wie deren mangelnde Haftung. Sie sieht auch, in welch gigantischem Ausmaß, der europäische Steuerzahler zur Kasse gebeten werden wird. Aber nicht wegen der Banken, wie sie meint, sondern weil vom Volke gewählte, verantwortungslose Regierungen – oft rekrutiert aus einer lokalen Plutokratie - begonnen hatten, statt den Lebensstandard ihrer Völker mit deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auszutarieren , mit billigen Auslandskrediten, Euro sei dank, die immer größere Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu schließen. Reine demokratische Schildbürgerstreiche, um es milde auszudrücken.Und unterstützt von gedankenlosen EU- und Euroraum- Erweiterern wie z.B. Günther Verheugen

Ursachenforschung

Bei der Ursachenforschung wird sie ideologisch: 1. Es fehle ein Mindestlohn; 2. Deutschlands Lohnzurückhaltung bewirke ruinöses Lohndumping in der EU.

Ein Mindestlohn ist vernünftig, nur muss man dann auch klar sagen, was passieren wird: Mehr Schwarzarbeit und Substitution von Arbeit durch Automatisierung. Von Unwissen geprägt der Vorwurf, Deutschland betreibe Lohndumping.

Die Fakten: Arbeitskosten pro Stunde in der Privatwirtschaft 2011: Ungarn 7,60 €; Estland 8,10 €; Slowakei 8,40€; Portugal 12,10; Griechenland 16,40; Spanien 20,60; Deutschland 30,10 €; Frankreich 34,20 €; Schweden 39,10 €. (Quelle: EDS). Also, wer macht da Lohn- Dumping?

 

Produktivität sind nicht Lohnkosten.

Was die Linke nicht begreift, zwischen Lohnkosten und Produktkosten besteht schon lange kein direkter Zusammenhang mehr. Industriestaaten haben ganz unterschiedliche Entwicklungsniveaus. Das zeigt sich in der Kombination von Produktionsfaktoren für die Erstellung eines Produktes. Heute sind das nicht mehr simpel Boden, Arbeit und Kapital, sondern eine Kombination von höchst komplexen "Handwerkszeugen" wie z.B. ein Kuka-Roboter zur Automontage oder Informationssysteme wie die von SAP oder eine hochkomplexe Werkzeugmaschine. Und die Krone der Schöpfung (des Menschen im 20. Jahrhundert) sozusagen, die ungeheure Speicherfähigkeit von Chips, deren Auslesbarkeit und die vorfabrizierte Logik, die in unzähligen Programmen steckt, die das alles steuern. Hand/Kopfwerkszeuge, immaterielle eben, die einen gewaltigen Produktivitätssprung gerade in Ländern wie Deutschland brachten. Dazu kommen noch die gesteigerten Spezialisierungsgewinne.

Nebenbei: Dies sind Kulturleistungen, dem Pyramidenbau vergleichbar. Entstanden durch Wissen, auch in einem Lande, mit ja so miserablen Bildungssystem, wie die Linke meint. Die durch all diese "Kopfwerkzeuge" unterstützte Arbeitsstunde, die kann 30 € und mehr kosten. Die nicht soft- oder hardware-unterstützte "Handarbeit" ist im Industrieland von heute weniger bedeutsam und wo sie noch existiert ist sie voll dem Preisdruck vieler, noch weniger entwickelter Länder ausgesetzt.

Deutschland ein Lohndumper?

Deutschland ist nicht Lohndumper sondern Produktivitätsführer – zum Vorteil der Gesellschaft.Die Forderung von Frau Wagenknecht liefe konsequent darauf hinaus, Deutschland solle den technologischen Fortschritt im Lande stoppen. Also das Bildungsniveau herunterfahren, Forschungsprojekte kürzen usf.. Dass dies blanker Unsinn ist, dürfte wohl jedem einleuchten. Man sollte auch von vollkommen unsinnigen Zielen ablassen, in Europa "gleiche Lebensverhältnisse" herstellen zu wollen. Das gelingt ja nicht mal in der Schweiz, ja in keinem europäischen Nationalstaat.

Die Quelle von Wohlstand ist die Investition. Die Investition wird nur getätigt, wenn eine Erfolgschance greifbar ist. Man kann über den Kapitalismus schimpfen wie man will, aber mache Zusammenhänge sind fast so kausal wie Naturgesetze. Und an der Illusion solche fundamentalen Dinge aushebeln zu können, sind alle sozialistischen Systeme gescheitert, alle.

Was machen die Chinesen?

Die Chinesen lenken politisch Investitionen in deren fernen Westen und setzten Incentives, damit Unternehmen dorthin gehen. Wenn sich dorthin auch Wissen und Leistungsbereitschaft hintransferieren lassen und sich niedrige Löhne mit einer produktiven Unternehmensinfrastruktur verbinden, dann aber nur dann könnte es klappen. Die Anreize bestehen heute schon in viel niedrigeren Löhnen: In Urumqi lagen die Löhne um mehr als 40% und in Kunming um mehr als 60% unter dem Niveau von Shanghai (2010, das Monatseinkommen beträgt dort ca. 520 € im Schnitt). Und der Staat wird sicher für jene Stabilität sorgen, die die Investitionen wirtschaftlich sein lassen.
Local Content Verpflichtung für Chinesische Unternehmen in Europa! Warum macht sich denn die Linke nicht dafür stark, dass die Chinesen, das, was sie nach Europa liefern auch zum wesentlichen Teil hier vor Ort produzieren müssen? Alle europäischen Unternehmen müssen das in China akzeptieren. Verharrt man da in einer verqueren Solidarität oder hat man den ökonomischen Durchblick nicht?

Zukunft?

Europas Länder werden sich dort wiederfinden, wo ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit liegt. Da helfen keine Transferzahlungen oder Entschuldungen. Wer glaubt, es gäbe einen anderen Weg zu guten Lebensverhältnissen als den Estlands, Vietnams oder Schwedens, der ist meiner Meinung nach ein Demagoge bzw. Demagogin.Die Alternativen heißen Wissensintensität oder low cost. Der unausweichliche Anpassungsprozess wird Europa erschüttern.

Wie wir gesehen haben, es gäbe viel Anschauungsmaterial, nur zur Kenntnis nehmen müsste man es.Leider scheint in der Politik zu oft richtig nur zu sein, was die eigene Macht erhält oder ideologiekompatibel ist.

Presse/Wissenschaft/Social Networks

Feedback-& Ideengeber, Kontrollorgan, Transparenz herstellen ohne Lobbyeinfluß

Dr. Johannes Rauter 27.08.2018