Innovation ist der Schlüssel zum nachhaltigen Überleben einer modernen Industriegesellschaft. Es ist erstaunlich, wie schwer es selbst Profis des Wirtschaftsjournalismus fällt, ein Verständnis dazu zu entwickeln, was Innovation wirklich ausmacht. Auch Herr Büschemann ist da keine Ausnahme. Es ist auch bemerkenswert, dass das Thema schon seit spätestens 1996 aktuell ist, auch von mir schon beschrieben und die Erfolge kaum sichtbar sind.
Innovation ja, dass sind natürlich auch die vielen kleinen mühsamen Schritte, die Kosten nach unten und die Funktionalitäten nach oben zu schrauben. Aber epochale Neuerungen wie in den USA findet man in Europa kaum. Und dieser Umstand, also dass „Europa“ – wer genau ist das in diesem Zusammenhang? - die Parameter der Innovation immer noch nicht beherrscht, führt zu einer langsamen aber stetigen Erosion an Wettbewerbsposition. Nur wenn wenigstens die technischen Eliten endlich Europa als eine Einheit, ein Potenzial sehen, aus dem unbedingt zu schöpfen ist, wird diese Erosion vielleicht zu bremsen sein. Der Rückzug nur auf das eigene Land, wird wohl nicht mehr reichen.
In der Klage über zu wenig Innovation ist Herrn Büscheman zuzustimmen, nur in der Analyse liegt er falsch wie ich denke: Man erzeugt nicht Innovation in dem man mehr Unis baut. Die Universitäten hierzulande sind ausreichend. Die Gründe sind schon andere: Die soziale Marktwirtschaft heißt ja nicht umsonst so. Da sind für soziale Abfederungsmaßnahmen im Rahmen von Wirtschaftsumbrüchen riesige Summen gegeben worden. Da flossen z.B. in das politisch auch so gewollte Projekt Neue Bundesländer 1500 – 2000 Milliarden über ca. 25 Jahre. Da flossen riesigen Unterstützungen für Kohle und Stahl ins Ruhrgebiet. Wie soll sich da eine Risikopitalszene entwickeln, der Innovationstreiber Nr. 1 in den USA?
Vergleiche man die Detroit-Region mit dem Ruhrgebiet: wie viele Milliarden mehr sind da wohl ins Ruhrgebiet geflossen als in die Detroit Region? Allein Detroit verlor 1,1 Millionen Einwohner und liegt heute bei 700.000. Der Preis für ein „home“ lag 2012 bei 7.500 $.
Das ist Neoliberalismus. (Gesagt für die, die glauben hierzulande herrschte ein solcher).
Zwei Seiten weiter in der Ausgabe der SZ hätte Herr Büschemann lesen können, dass die USA (genauer, deren Superreiche) relativ achtmal(!) soviel Risikokapital zur Verfügung stellen als das reiche und soziale Deutschland. Das hört man nicht gerne.
Weiters: In den USA können sich 60 von 100 eine unternehmerische Karriere vorstellen, in Deutschland gerade mal 38. Im Ranking von 18 befragten Ländern, in denen Hochschulabsolventen befragt worden sind, ob sie Unternehmer werden wollen, liegt Deutschland auf Platz 16(!) lt. einer Studie der Hochschule St. Gallen. Spätfolge der grünen „Unternehmerverteufelung“ aus den 1968iger Jahren und angeblich wegen der guten Positionen, die die Deutschen Global Player zu bieten hätten.
Die KfW stellte 2007 fest, dass zwei Drittel der Gründungen in Deutschland weder innovativ noch wissensintensiv sind.
Die großen Vermögen in Deutschland sind auch nicht gerade berühmt dafür, Innovation zu finanzieren. Das wäre aber ihre vornehmste Rolle in einer Zeit da die Diskussion über sich auftuende gesellschaftliche Kluften an Fahrt gewinnt. Und der Mittelstand hat es nicht leicht an Kredite zu kommen, siehe Basel I ff.
Weiters, die scheuklappenartig Verengung des Blickes des Autors auf Deutschland. Wir leben in Europa: 500 Millionen Einwohner. 2 % oder rd. 10.000.000 davon sollten ein ausgesprochenes unternehmerischen Talent und Kenntnissen für hochwertige Produkte und Dienstleistungen haben. Die EU hat es bisher nicht geschafft, dieses europäische Intelligenzpotential vernünftig zu nutzen bzw. zu verknüpfen. Ich glaube, keine Region der Welt hat auf so engen Raum so viele Universitäten und Begabungen. Es gelingt uns nicht das Potenzial zu mobilisieren. Was es gibt sind schwerfällige, hoch bürokratisierte EU Fördertöpfe.
Im nationalen Rahmen kann man dafür sorgen, dass Unternehmertalente zuwandern, möglichst nicht aus Ländern, die selber diese Talente bitter nötig haben, einen speziellen Gründerfonds auflegen, gespeist von jenen, deren Vermögen dank professioneller „family offices“ überproportional wächst. Eine großzügige steuerliche Behandlung solange die Geschäftsidee nicht wirklich marktrobust ist und eine Freiheit für Start-Ups vor hindernden administrativen Regularien, ebenso für Mittelständer, die an Innovationen arbeiten.
Kurz: Wir brauchen mehr Unternehmertalente und eine viel größere Palette an Finanzierungsquellen.
Dr. Johannes Rauter 21.08.2018