All die gefühlt und nach meinen Recherchen, fehlerhaften Aussagen der PISA Studien zu diesem Thema, gerade bei internationalen Vergleichen, können nicht nachweisen, dass bei entsprechender Intelligenz, Arbeitseinsatz, Nutzung von Unterstützungsangeboten, Bildungsaspiration von Eltern und Schülern, die Chancen nach Herkunft gravierend abweichen würden.
Willkommen in der Ständegesellschaft 2.0, Alex Rühle, SZ 02.04.2015
Zwei Bücher stellt die SZ vor und kommt gleich zur Kernthese:
„Marco Maurer untersucht den biografischen Anfang, Julia Friedrichs die finanziellen Folgen des Endes. Und beide, das ist das Verstörende an ihren soeben erschienenen Büchern, beide kommen zu demselben Schluss: ob nun in der Schule oder im Beruf, es ist egal, wie sehr man sich anstrengt. Am Ende zählt einzig die Herkunft. Willkommen in der BRD 2015, willkommen in der Ständegesellschaft 2.0.“
Ist die Polemik der vorgestellten Bücher, die „Wahrheit“? Nur, im Sozial/Gesellschaftlichen gibt es nur ergänzungsbedürftige Wahrheiten. Außerdem leben wir in einer Demokratie, Konzertsaal oder Schulen, wir Bürger machen - zwar indirekt - das Bildungsbudget!
1. Wenn es über einen drohenden Akademiker/Facharbeitermangel Konsens gibt und Klage geführt wird, kann man nicht gleichzeitig behaupten, es gäbe keine Aufstiegschancen. 2. All die gefühlt und nach meinen Recherchen, fehlerhaften Aussagen der PISA Studien zu diesem Thema, gerade bei internationalen Vergleichen, können nicht nachweisen, dass bei entsprechender Intelligenz, Arbeitseinsatz, Nutzung von Unterstützungsangeboten, Bildungsaspiration von Eltern und Schülern, die Chancen nach Herkunft gravierend abweichen würden. 3. Warum versandete großteils das Programm von Frau von der Leyen, also die Bildungsgutscheine? Sicher, eine wohlhabende Familie kann sich mehr Nachhilfe leisten als eine ärmere. Wobei sich die Frage stellt, ob jemand der in der Grundschule schon Nachhilfe braucht, für „Karriere und Aufstieg“ prädestiniert ist. Ausnahme: Deutschkurse für zuwandernde Jugendliche. 4. Am Ende zähle einzig die Herkunft? Wenn im Schnitt 50% eines Jahrgangs die Gymnasialempfehlung von den Lehrern bekommen und in den meisten Bundesländern sogar die Eltern entscheiden, auf welchen Schultyp das Kind gehen soll, und wenn gleichzeitig das Handwerk – also eine, was den Chef betrifft, eindeutig hochqualifizierte Unternehmerschaft – feststellt, dass nur mehr wenige dort Karriere machen wollen, dann scheinen mir die Klagen der vorgestellten Bücher doch recht unüberlegt. 5. Aufstieg gibt es, gab es und wird es nie ohne außerordentliches Bemühen geben. Nicht alles ist Bringschuld der „anderen“. 6. In einer reifen Volkswirtschaft, Wachstum < 1,5% sind naturgemäß die Aufstiegschancen viel geringer als in einer, die mit >7% wächst wie im Deutschland der Nachkriegsjahre. Und ist etwa der ungebremste Zustrom von Menschen nach Deutchland nicht zuletzt ein Zeichen, wie man die Aufstiegschancen hierzulande einschätzt?
Man komme mir nicht mit Finnland, aktuelle Jugendarbeitslosigkeit dort: 21%, (obwohl kaum Zuwanderung aus moslemsichen Ländern). In Schweden 23% (!), in Deutschland 7%. Wenn das kein Indikator für Aufstiegspotenzial eines Landes sein sollte, was denn dann?
Natürlich finde ich das – erst nachgebesserte BAFÖG – immer noch zu kleinherzig und manche Schulklassenklassen zu groß. Und natürlich finde ich es fragwürdig, wenn ein „normaler“ Akademiker 25-30 Jahre an einer 75 qm Wohnung in München abzahlen muss, wenn er selbst aus eigenem, laufenden Einkommen finanzieren muss. Ist die Erbgesetzgebung ungerecht? Ich weis es nicht.
Natürlich gibt es immer Verbesserungspotenzial. Müssen wir aber deshalb die Wirklichkeit ganz selektiv, also fragwürdig darstellen? Ich denke hier auch an fragwürdige internationalen Vergleichsstudien allzuvieler Sozial- und Bildungsforscher, eingeschlossen so manchen Forscher aus der OECD. Haben wir nicht dringendere Probleme, Themen bei denen wir im europäiscen Vergleich wirklich hinterher sind? Z.B. bei der Vereinbarkeitvon Beruf und Familie?
Reichtum und Stiften: Ich denke, dass die hunderten von Stiftungen, die jährlich neu gegründet werden, sich intensiver um den Stiftungszweck „Bildung und Erziehung“ kümmern sollten. Da kann Reichtum jenseits von Steuern segensreich wirken. Nicht zuletzt auch mit positiver Wirkung auf die eigenen Kindern, die in diesen Reichtum hineingeboren wurden - und unter diesem oft sehr leiden.
Dr. Johannes Rauter 24.05.2015