EU und Corona: die Programme, wie vorgestellt, riesig aber nicht zu Ende gedacht ... Ein Hilferuf an Frau Merkel

Keine Frage, die EU steht unter riesigen Erwartungsdruck, den sie sich ohne Not aufgeladen hat. Sie hat selbst noch nicht begriffen, dass sie keine Geldmacht ist, sondern nur eine Regelmacht. Dass sie uns jetzt aber ein besonderes Gebäude präsentiert, also ein Haus ohne Erdgeschoß, das ist dann weniger verzeihlich. Sicher, man muss Ideen präsentieren, damit wenigstens darüber diskutiert werden kann. Es ist wichtig, sich optimistisch zu zeigen, keine Frage. Es ist aber noch wichtiger seine Hausaufgaben konsistent, transparent, durchführbar und den vertraglichen und mentalen Gegebenheiten angepasst auszuführen. Und das fehlt mir hier:

  1. Inkonsistent, die unterschiedlichen Zahlen zum selben Thema in verschiedenen Papieren.
  2. Nicht abgestimmt. Die 1,500 Mrd. Green deal und die 750 Mrd. Anschub, plus die 100 Mrd. SURE , nirgends ist hier eine thematische, sachliche oder zeitliche Verzahnung auch zwischen den Gebietskörperschaften für mich als Bürger erkennbar.
  3. Verschleiernd. Die genannten Werte sind alle „zu Preisen von 2018“ gemeint und alleine das 750 Mrd. Paket, lt. Ratingagentur Moodys macht schon jetzt 809 Mrd. aus.
  4. Ohne Rücksicht auf die real existierenden Prozesslaufdauern und das bekanne Abstimmungsverhalten der Mitgliedsländer.Man setze einfach voraus: Abstimmungen in 27 Parlamenten gehen schnell und positiv. Die vorgesehenen Managementprozesse: „assessments“, evaluations“, „consistency checks“,“monitorings“ gehen schnell und werden so problemlos akzeptiert. Die Länder, die ja schon bisher die Mittel aus dem Strukturfonds oft gar nicht verarbeiten konnten, wie sollen diese nun den, viel größeren Mittelzufluss stememn? Allein die Über-Komplexität dieses Brüsseler Megavorhabens, wird die Programme ins Schneckentempo zwingen.
  5. Ohne Rücksicht auf fehlende Committments: die 25 Mrd. Garantien, die bei SURE zunächst von den EU-Mitgliedsstaaten einbezahlt werden müssten, damit das Programm überhaupt läuft, sind bis dato nicht eingetroffen.
  6. Ohne Praxisbezug, da diese riesigen Summen auf dem Papier ja in 2-3 Jahren umgesetzt werden sollten, was alleine technisch und mit der vorhanden (wo)manpower gar nicht realisierbar ist.
  7. Italien, wird Geld helfen? Man weiß, dass Italien nicht mal die bereits laufenden Förderungen abrufen bzw. verarbeiten kann. Italien konnte zwischen 2014 und 2020 nur 35%(!!) der Mittel aus dem EU-Strukturfonds abrufen. (U. Sauer SZ vom 28./28. 06. 2020). Und man weiß, dass Italien nicht in der Lage ist, entsprechend Steuern von seinen Bürgern einzutreiben. Nachweisbar, siehe Tabelle unten;
  8. „Vertragsänderungen“ voraussetzend.Ohne zu überlegen, an welcher Stelle „Vertragsänderungen“ erforderlich wären, die jedenfalls mit der lebenden Politikergeneration wohl gar nicht machbar sind. (Ich gebe zu, die Wiedervereinigung war auch mal unvorstellbar).
  9. Souveränitätsverschiebungen.Man ignoriert, was es an Kompetenzverschiebungen nach Brüssel bedeutet, riesige Gelder: 1,500 + 750 macht 2,250 Mrd. € , und damit Aufgaben an Brüssel zu geben und von Brüssel steuern zu lassen; nach meiner Rechnung müsste man ja sogar das Personal dort glatt verdoppeln.
  10. Et respice finem: Nicht zu Ende gedacht, wer zahlt die Zuschüsse (=Geschenke) letztlich, und vor allem wie. Es wird zwar groß von (nicht rückzahlbaren) Zuschüssen geredet, dass die aber auch finanziert und getilgt werden müssen, darüber schweigen die höchstdotierten Experten in Brüssel. Ein Affront dem EU Bürger gegenüber. Die Mühe, das zu durchdenken hat sich noch keiner so richtig gemacht, nachweislich. Optionsideen, die kursieren, z.B. in der EU Pressestelle der Kommission:

    - Die acht „Reicheren“ zahlen, dann werden die eine heute nicht akzeptable Last zu tragen haben und protestieren.

    - Tilgung über höhere Beiträge zur EU - bis zu 2% ("Eigenmittelobergrenze"). Gibt es da Konsens? Dann wären es eben doch rückzahlbare Darlehen, und keine Zuaschüsse!

    - Hoffnung auf zusätzliche „Einnahmen“, das darf nicht Steuer heißen, dann macht man wohl die Rechnung ohne den Wirt, siehe Finanztransaktionssteuer und deren Schicksal.

    - Kürzung des Agrarbudgets, na viel Vergnügen.

    - Der Tilgungsanteil an den Anleihen für Zuschüsse in % ist kleiner für die Geschenk-Empfängerals der % Anteil an den Zuschüssen selbst (Grants, s.u.). Also Italien bekommt 20% der Zuschüsse, tilgt aber nur 13 %, die Lücke füllen die Reicheren. Siehe Graphik.

    Asselborn ein zu oft unerträglicher Vernebler der Fakten

    Welche Chuzpe muss ein Mann wie Asselborn haben um im ORF (30.06.2020) groß zu tönen, die Forderungen der vier "Sparsamen" seien indiskutabel, man brauche (nicht rückzahlbare) Zuschüsse ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, wie das zu finanzieren wäre bzw.wer genau das zu tun habe. Unglaublich solche Reden. Oder seine Bemerkung, man hätte in der Vergangenheit zuviel gespart. Glatter Unsinn, diejenigen, die die Verschuldung runter gefahren haben, Deutschland und Österreich hatten die niedrigsten Arbeitslosigkeitsraten und jene, die die Verschuldung in die Höhe trieben, wie Italien z.B. bekamen die Arbeitslosigkeit nicht in den Griff. Dieser Mann soll zurücktreten, er ist Außenminister eines Landes das in der Hitliste der Steuerschlupflöcher (https://www.corporatetaxhavenindex.org/en/introduction/cthi-2019-results) auf Rang 6 steht (Österreich Rang 33).

    Aber sein Chef hatte ja das Motto ausgegeben: Man muss manchmal lügen. Feines Europa. Zum Beispiel jene Unwahrheit, Luxemburg sei Netto-Zahler in der EU. Die letzten offiziellen Zahlen (aus 2018) sagen genau das Gegenteil, das Land mit dem höchsen Pro Kopf Einkommen war Netto-Empfänger, ca. 160 Millionen €!! Eine Obszönität, wie ich das empfinde, angesichts dessen, dass Luxemburg mit über 80 000€ BIP/Kopf doppelt so reich ist die der nächstfolgende Staat. Wohl nicht zuletzt wegen einer "genialen" Steuergesetzgebung.

    Ich denke, so kann man mit EU Bürgern nicht umgehen und auch nicht mit Mitgliedsstaaten, die zustimmen sollen, bevor die Dinge ganz klar durchstrukturiert sind, bzw. jeder dann waeis, wer die Zeche zu bezahlen hat. Große Enttäuschungen sind vorprogrammiert und werden die EU-Skeptiker weiter ermuntern ihr böses Spiel zu treiben.

    Ich hoffe, dass die Deutsche Ratspräsidentschaft für klare Strukturen und einfache Prozesse sorgen wird. Die Kommission hat sich mit dem Vorgelegten nach meiner Einschätzung keine Lorbeeren erworben.

  11. Andere Vorstellung für eine Unterstützungspolitik in der nächsten Ausgabe.

    Anhang

    Einige Graphiken die Schlaglichter auf die Situation werfen. Nähme man solche Fakten ernst, müßte ein Hilfsprogramm wohl ganz anders aussehen.

    Bild 1 So sieht das Gesamtbild der Lasten aus: die Länder müssen "stand alone" zwei Drittel der Corona-Folge -Lasten selber tragen - und werden aufgefordert darüber hinaus noch zu "spenden" ...

    Die Gesamtlasten Corona
    Die Gesamtlasten Corona

    Bild 2 Manche Staaten sind nicht in der Lage jene Steuern einzutreiben, die der Erfüllung der Wünsche der Wählerschaft gerecht würden ... . Und dafür sollen dann andere bereit stehen?

    Bereitschaft, Steuern zu zahlen
    Bereitschaft, Steuern zu zahlen

    Bild 3 In der vergangenen Hochkonjunkturphase waren nur wenige in der Lage, die Verschuldung aus der Finanzkrise 2007/08 wieder zurück zu führen. Die, die es schafften haben auch die Arbeitslosigkeit im Griff ...

    Bewältigung der Schuldenkrise 2007/08 - war Rückführung der Verschuldung das falsche Rezept?  Nein.

    Bild 4 Jene, die weiter Schulden machten,hatten die Arbeitslosigkeit deutlich weniger im Griff ... . Dabei nutzt man hier die sozial völlig unbrauchbare Definition von Arbeitslosigkeit nach dem ILO - Konzept ... . Soviel zur Lüge vom unseligen Sparsamkeitswahn mancher EU Länder.

    Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit
    Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit